Zuchtziel
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Was es bedeutet, heutzutage gesunde English Bulldogs zu züchten
Wir wissen alle um die gesundheitlichen Probleme der kurzschnauzigen Hunderassen, welche durch die Überzüchtung in den letzten Jahrzehnten entstanden.
Überzüchtung heißt, einzelne Merkmale wurden ohne Rücksicht auf die Lebensqualität des Hundes insgesamt durch strikte Auslese immer weiter und weiter ausgeprägt. Und das geschieht am sichersten und schnellsten durch Linieninzucht, das heißt durch Paarung von verwandten Hunden, die diese Merkmale eh schon gut ausgeprägt zeigen.
Und durch genau die gegenteilige Zuchtmethode läßt sich jede einzelne Merkmalübertreibung wieder auf ein gesundes Maß zurück führen: konsequente Vermeidung jeder Verwandtenpaarung bis 5 Generationen zurück. Das heißt Auskreuzen innerhalb der Rasse.
Und dazu muß auch darauf geachtet werden, dass eine spezielle Merkmalübertreibung wie zum Beispiel in der Befaltelung, wenn überhaupt, nicht bei beiden Elterntieren auftritt. Denn die Natur unterstützt erfahrungsgemäß dem Erbteil zum Durchbruch, welcher Maß und Mitte im Sinne des Überlebens verspricht. Man sieht dies auch daran, dass in einem Wurf ganz unverwandter Eltern die Anzahl der Welpen, die, um im Beispiel zu bleiben extrem befaltet sind, prozentual sehr gering ist.
- Die verschiedenen Zuchtmethoden und ihre Vor- sowie Nachteile
Inzestzucht
Darunter wird die Paarung von Verwandten ersten Grades verstanden.
Vorteil: Inzestzucht verfestigt die gleichen Veranlagungen der verpaarten Tiere auf genetischer Basis (gleiche Allele). Sie wird eingesetzt um eine spezielle Eigenschaft, wie z.B. eine besonders gute Riechnase oder besondere Widerstandsfähigkeit gegenüber bestimmten Haltungsmethoden in der Nutztierzucht in den Nachkommen auf schnellem Wege zu stabilisieren.
Nachteil: Bei der Inzestzucht verfestigen sich auch alle Nachteile und Schwächen genetisch. Gleiche Gene (Allele) verarmen zudem die Reaktionsmöglichkeiten des Körpers auf Keime, Klima, Nahrung usw. massiv. Die Nachkommen verlieren an Lebensfähigkeit. Um diese Nachteile abzumindern wurde die Inzucht, besonders die Linieninzucht zu einer beliebten Zuchtmethode.
Inzucht, Linieninzucht
Hiermit ist die Verpaarung Verwandter zweiten und dritten Grades gemeint.
Vorteil: Mit Inzucht erreicht man die Stabilisierung von äußeren und inneren Rassemerkmale. Nur so sind überhaupt Rassen entstanden.
Linieninzucht bedeutet über viele Generationen die Nachkommen eines besonders herausragenden Vertreters seiner Rasse immer wieder zu verpaaren. Züchter sprechen dann gerne von „Ihrer Linie“ als ihrem besonderem Zuchtmerkmal .
Nachteil: Dieser tritt erst nach vielen Generationen auf, denn dann ist der Genpool der Rasse mehr oder weniger bedenklich verarmt. Das heißt, je gleicher die Gene „aus- oder eingeschaltet“ sind (Allele), umso variationsärmer und ungenauer können sie nur noch auf die Herausforderungen der Umwelt reagieren. Und das bedeutet letztendlich das Aussterben der Spezies oder Rasse.
Dieser Verarmungsprozess verlangt nach einer Phase der Stabilisierung von Rasse-Eigenschaften durch (Linien-)Inzucht zwingend eine Phase der Auskreuzung innerhalb der Rasse, um diese überhaupt zu erhalten.
Auskreuzung
Hierunter versteht man die Verpaarung viele Generationen zurückreichend unverwandter Tiere.
Vorteil: Die Nachkommen aus Auskreuzungen haben einen Gewinn an Gen-Varianten, und das bedeutet einen Gewinn an allgemeiner Vitalität.
Allerdings muß einschränkend gesagt werden: es gibt in praktisch jedem Auskreuzungswurf eine Minderheit an Welpen, welche die unerwünschten Übertreibungen oder genetischen Defekte des Vaters oder der Mutter geerbt haben. Deshalb sind Mischlinge verschiedener Rassen nicht automatisch alle gesund, wie leider vielfach von Käufern der neuen Bulldog-Varianten (Olde Engl. Bulldog, Continental Bulldog, Modern Bulldog, usw) geglaubt wird. Davon zeugen die Tierarztpraxen.
Es kommt auch beim Auskreuzen immer und unbedingt auf die individuelle phäno- und genotypische Veranlagung von Vater und Mutter an.
Nachteil: Das Erscheinungsbild und auch die Wesenseigenschaften von Geschwistern aus Auskreuzungen sind sich nicht mehr so ähnlich, wie man das aus der Linieninzucht kennt. Wie sich ein Welpe vermutlich entwickeln wird, ist schwerer vorauszusehen.
- Konkrete Probleme durch Merkmalübertreibung beim Kopf des English Bulldog
Die Atmung
In den Niederlanden wurde (2019) die Zucht von Hunden verboten, deren Naselänge kürzer als 1/3 der Schädellänge ist, denn dies gilt als Qualzucht. Das bedeutet dort das Aus für den Typ des English Bulldog, der die letzten Jahrzehnte von der FCI und ihren nationalen Unterverbänden prämiert wurde.
Einige in der Regel Nicht-FCI-Züchter, und ich auch, haben schon Zuchthunde mit einer etwas längeren Nase. „Röchelmonster“, das ist nicht mein Fall. Deshalb ein wenig Aufklärung zum Thema Freie Atmung:
Eine kurze Nase allein macht noch keinen Röchler, sonst wären wir mit unseren kurzen Menschennasen alle solche armen Röchler. Es kommt vielmehr auf die Größe der Schleimhäute IN der Nase an.
Wir Menschen riechen im Vergleich mit Hunden nur wenig, weil mit unserer kurzen Nase auch die sie auskleidenden Nasenschleimhäute mit den Riechzellen entsprechend kleinflächiger geworden sind. Und das ist beim English Bulldog und anderen Kurznasen nicht der Fall:
Bei den Kurznasenrassen falten sich oder verdicken miteinander die nach wie vor großflächig angelegten Schleimhäute in Nase, Rachen und Gaumen, um Platz zu finden. Damit bleibt zwangsläufig etwas weniger Platz für den Atemstrom frei. Die Frage ist, wann der Punkt der Qualzucht erreicht ist, dass heißt wann zu wenig Platz für die Atemluft da ist, um Lebensfreude zu erfahren. Ja, der English Bulldog darf nicht zum „Steifftier“ verkümmern, egal ob manche Kunden das lieben – aber er muß auch kein typischer Langlaufhund sein.
Die äußere Haut um Kiefer und im Gesicht der Kurznasenhunde hat ebenso wie die inneren Schleimhäute den Verkürzungsprozess der Nasenknochen nicht mitgemacht. Der English Bulldog schnüffelt und riecht nach wie vor so gut wie eine Langnase. Fatal ist aber, dass unwissende Züchter die Faltenbildung auf des English Bulldogs Nase noch ZUSÄTZLICH – und gegen den Standard! – größer gezüchtet haben. Die feine Doppelfalte auf der Nase wurde zum dicken Fleischlappen, der sie oft bis zur Spitze bedeckt. Und Innen in der Nase sieht es dann mehr oder weniger entsprechend aus.
Achten Sie bei der Wahl eines Welpen auf diese Nasen- und Faltenproblematik.
Die Atmung wird bei manchen English Bulldogs auch durch einen zu kurzen Hals beeinträchtigt. Die Luftröhre wird dadurch gestaucht, gebogen oder bildet sich von vorne herein leicht degeneriert. Die Bedeutung der Halslänge wird tragischer Weise oft übersehen, solange der English Bulldog nur ja extrem „kompakt und kurz gebaut“ sein soll.
Achten Sie bei der Wahl eines Welpen auch darauf , dass zumindest seine Mutter einen angemessenen Hals hat.
Der Schädel
Der English Bulldog hat in Relation zu seinem Körper einen großen Kopf mit großen runden Augen. Wir Fans lieben das. Aber auch hier gilt es Maß zu wahren.
Manche English Bulldogs haben einen regelrechten „Melonenkopf“ – von innen ist der das, was man bei Menschen einen Wasserkopf nennt, denn das Gehirn hat sich nicht entsprechend mit dem Schädel vergrößert. In solchen Riesenschädeln kann es zu einer Störung der Balance zwischen Zu- und Ablauf des Hirnwassers kommen, Epilepsie ist dann eine typische Folge. Auch beim Kopf gilt: extreme Übertreibung bringt nichts Gutes.
Zuletzt möchte ich noch auf das bei Junghunden vorkommende harmlose „Cherry Eye“ eingehen. Was wie eine Kirsche im Auge aussieht ist die Nickhautdrüse, die aus der eher flachen Augenhöhle herausrutschen kann. Oft löst sich das Problem mit dem Schädelwachstum. Ansonsten wird die Drüse in einer Mini-OP festgenäht.
- Züchterische Konsequenzen
Züchter müssen in dieser Situation, in welche verantwortungslose Zuchtverbände die Rasse English Bulldog über Jahrzehnte hinein brachten, viel Einsatz zeigen und Mühen sowie Kosten auf sich nehmen, alleine schon um geeignete, immer wieder neue, unverwandte Zuchtrüden und Zuchthündinnen zu finden. Es gibt sie zweifellos, aber sie müssen in der Regel außerhalb der FCI-Verbände gesucht werden.
Der English Bulldog ist es wert, alle diese Mühen auf sich zu nehmen. Er ist eine Passion : „Once a Bulldog, always a Bulldog“



